Stellungnahme Gemeinschaftsschulen

Eckpunkte einer Frankreichstrategie für das Saarland

Die Landeselternvertretung der Gemeinschaftsschulen des Saarlandes bedankt sich für die Gelegenheit zu dem Papier „Eckpunkte einer Frankreichstrategie für das Saarland“ Stellung nehmen zu können.

Grundsätzlich teilt die LEV die Meinung der Landesregierung, dass Mehrsprachigkeit eine wichtige Kernkompetenz unserer Kinder für die Zukunft ist. Ebenso sind wir der Auffassung, dass das Erlernen von Sprachen sowie die Anwendung von Sprachen selbst nicht nur in der Schule stattfinden dürfen. Sowohl das Lernen von Sprachen wie auch deren Anwendung und Nutzung muss im normalen Lebensalltag stattfinden. Dies bedarf einer breit aufgestellten gesellschaftlichen Akzeptanz. Eine Grundvoraussetzung für das Gelingen einer Strategie, die das Saarland mehrsprachig machen soll, ist eine gesunde finanzielle und sächliche Basis, und die eben schon angesprochene freiwillige Akzeptanz der Maßnahme. Beide Voraussetzungen sind aus Sicht der Eltern nicht gegeben.
Die Delegierten der LEV empfinden die geplanten Änderungen als übergestülpt; ein breites Sprachenangebot und eine freiwillige Entscheidung, welche Sprache gewählt wird, sind aus unserer Sicht zwingend erforderlich. Trotz der Nähe des Saarlandes zu Frankreich möchten wir keine einseitige Festlegung hin zur französischen Sprache. Ganz bewusst ver- wenden wir deshalb den Begriff „Mehrsprachigkeit“.

Die Ziele, die im vorliegenden Strategiepapier vorgestellt werden, sind sehr anspruchsvoll
Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Umsetzung gehen aus unserer Sicht an den Erfordernissen und Wünschen von Schülern und Eltern vorbei. Die Schüler und Schülerinnen haben kaum ein Umfeld, das sie animiert, das in der Schule gelernte Französisch aktiv anzuwenden. Spiele, Lieder, Computerprogramme usw. werden in Englisch auf dem Markt angeboten und demzufolge auch in dieser Sprache konsumiert. Anzunehmen, dass sich Konzerne auf eine Zwei- bzw. Dreisprachigkeit umstellen, ist eher illusorisch. Englisch hat sich im Alltag etabliert. Viele englische Wörter haben bereits Einzug in die tägliche Umgangssprache gefunden und sind praktisch „eingedeutscht“. Dies zeigt sich auch im Papier zur Frankreichstrategie (S. 26 „…deutsch-französischer Background…“). Außerdem kann die LEV aus eigenem Erfahrungsschatz berichten, dass in vielen Berufen neben einem einwandfreien Deutsch – auch in Schrift – die Kompetenz im Englischen gefordert ist. Sollte nun mit einem solchen Eifer und Energie das Erlernen der französischen Sprache vorangetrieben werden, sehen wir die Gefahr, dass Englisch abgeschlagen wird. Gerade in den MINT-Fächern wird international (auch in Frankreich) in Englisch korrespondiert und gesprochen. Wir brauchen einen adäquaten Ausbau der englischen Sprache. Es darf nicht sein, dass unsere Kinder den Anschluss verlieren, wenn ihre Familien in andere Bundesländer umziehen. Im Gegenzug muss es auch möglich sein, dass Familien ins Saarland ziehen können ohne dass ihre Kinder dadurch Nachteile in ihrer schulischen Entwicklung haben, weil ihnen Französischkenntnisse fehlen. Ebenso müssen unsere Kinder in der Lage sein auf einem guten englischbasierten Niveau an außersaarländischen Universitäten erfolgreich zu studieren. Dieselben Erwägungen werden auch die „kosmopolitischen Zielgruppen“ spätestens zu dem Zeitpunkt haben, wenn sie die Verantwortung für Kinder übernehmen.

Die Vermittlung der französischen Sprache darf nicht in einem Widerspruch zum Erlernen der englischen Sprache stehen. Diese Hoffnung haben wir genauso wie die Landesregierung (siehe Seite 9 des vorgestellten Papieres). Allerdings steht dem massiv die Einsparung von Lehrerstellen gegenüber. Schon jetzt fallen Unterrichtsstunden wegen Krankheit von Lehrkräften aus und können nicht durch Vertretungsstunden aufgefangen werden.

Darüberhinaus hat die Elternvertretung sehr kritisch gelesen, dass in den Zielsetzungen von einem „Fremdsprachenlernen auf der Grundlage einer hohen Kompetenz in der Bildungssprache Deutsch ..“ (Seite 10 des Eckpunktepapieres) erfolgen soll. Darf man davon ausgehen, dass – um diese hohe Kompetenz zu erreichen – weitere Lehrerstunden auch für die Muttersprache zur Verfügung gestellt werden? Dem gegenüber steht der schon oben erwähnte Abbau von Lehrerstellen. Für die Eltern erscheint hier eine Diskrepanz, deren Klärung vor Umsetzung des Strategiepapieres dringend geboten scheint.

Gleichfalls mit Besorgnis haben wir gelesen, dass angedacht ist Sachfachunterricht in französisch anzubieten. Sprachunbegabte Kinder oder solche, die Schwierigkeiten im Erlernen von Sprachen (selbst ihrer Muttersprache Deutsch) haben, werden dadurch sicher nicht zur Mehrsprachigkeit animiert. Diesen Kindern werden dadurch Fächer, wie Musik, Kunst, Sachkunde u.ä., die sonst vielleicht eher ihren Neigungen entgegenkommen schwerer gemacht Ein kreatives Milieu wächst in einem freien, ungezwungenen und befruchtenden Umfeld. Wir befürchten hier eher eine Negativbesetzung der Sprache und fordern ein Überdenken mit Hinblick auf die Fürsorgepflicht aller Kinder, aber besonders der Schwächeren im System.

Eine weitere Bedingung, damit eine mehrsprachige Bildung erreicht wird, ist der bruchlose Einsatz von Muttersprachlern oder Lehrkräften mit einer Ausbildung in französischer Sprache und Kultur von Kitas über Grundschulen bis hin zu den allgemeinbildenden Schulen. Bisher kommen in den Eingangsklassen der Gemeinschaftsschulen Kinder mit den unterschiedlichsten Vorkenntnissen in der Fremdsprache an. Auch hier wollen wir wieder auf die Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften hinweisen, auch wenn das ermüdend sein mag. Die Schulen müssen ausreichend mit Lehrkräften ausgestattet werden und der Pool an gut ausgebildeten Lehrkräften, die eine fundierte Ausbildung in Fremdsprachen haben, muss deutlich erhöht werden.

Weitere wichtige Ziele und Maßnahmen, die von der Elternvertretung ergänzt werden:
Vorhandene oder auch neue Städtepartnerschaften zur Ankurbelung interkulturellen Austauschs, könnten auch auf Schulpartnerschaften ausgedehnt werden. Bisher tragen allerdings (meist) die Eltern die Kosten für Bustransfer ihrer Kinder zur Partnerschule; hier sollte eine finanzielle Regelung analog dem französischen Modell eingeführt werden. Schüleraustausche scheitern auch oft an der mehr oder weniger großen Bereitschaftslosigkeit auf beiden Seiten Fremde in Privatunterkünften zu beherbergen. Eine neue Strategie der Unterbringung kann Abhilfe schaffen: Vielleicht wären gemeinsame Jugendherbergsaufenthalte (für alle Eltern allerdings kostenfrei) hier eine adäquate Lösung.

Eine großflächige Umsetzung des Lernens einer anderen Kultur inkl. Sprache ist nur machbar, wenn in das schulische System Zeit und vor allem auch Geld investiert wird. Neben der Ausbildung und der Fortbildung ist eine Versorgung der Schüler mit frankophonen Lehrkräften sicher zu stellen. Und das ohne Brüche beim Schulwechsel. Diese Maßnahme ist nur dann erfolgreich umzusetzen, wenn die Klassenteiler an den Standorten gesenkt werden und ein funktionierendes Vertretungssystem installiert ist.

Der Ausbau von bilingualen Zügen in Gemeinschaftsschulen ist weiter voranzutreiben, damit Interessenten die Möglichkeit angeboten werden kann, auch auf erhöhtem Niveau Französisch wie Englisch zu lernen.

Der erfolgreiche Schulabschluss von Kindern, deren Neigung und Stärke nicht im sprachlichen Bereich liegt bzw. die aus einem anderen Herkunftsland zu uns kommen, darf unter keinen Umständen vom Erlernen einer ZWEITEN Fremdsprache abhängig gemacht werden. Das Bestehen eines Mittleren Bildungsabschlusses muss weiterhin mit einer Fremdsprache möglich bleiben.

Auch ein stark handlungsorientierter und auf kommunikativen Erfolgserlebnissen basierender Unterricht überfordert manche Kinder.
Die Elternvertretung fordert, dass der Vermittlung der englischen Sprache mehr Augenmerk als bisher entgegengebracht wird. Wie eingangs schon aufgeführt, sehen wir hier eine Schlechterstellung unserer Kinder in der Konkurrenzsituation mit Bewerbern aus anderen Bundesländern.

Die Entscheidung, welche Sprache und / oder welche Sprachenfolge eine Schülerin oder ein Schüler wählt, muss weiterhin bei den Eltern und bei den Schülern selbst liegen. Eine freie Entscheidung muss für Eltern und Kinder möglich sein, die notwendigen Wahlmöglichkeiten zwischen Englisch, Französisch, Spanisch usw. müssen dazu natürlich gegeben sein.

Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass den Eltern und Kindern die entsprechenden Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen: an jeder Gemeinschaftsschule muss Wahlfreiheit zwischen Französisch und Englisch als 1. Fremdsprache bestehen und nach der Eingangsphase – nach entsprechender Beratung mit den unterrichtenden Lehrkräften und unter Berücksichtigung der Gesamtpersönlichkeit des Jugendlichen – die Möglichkeit gegeben sein, eine weitere Fremdsprache hinzu zu wählen oder auch nicht.

Wir wünschen uns, dass unsere Anregungen und Zweifel ernst genommen werden und in die Überlegungen mit einfließen.